Favorit aus drei Namensvorschlägen

Neu formierter Ortsrat Gerblingerode diskutiert über Bischof-Janssen-Straße

Von Britta Eichner-Ramm

Gerblingerode. Die Verpflichtung der neu gewählten Mitglieder des Ortsrates Gerblingerode samt Verabschiedung der ausscheidenden Kommunalpolitiker und Wahl des Ortsbürgermeisters geriet am Dienstagabend beinahe zur Nebensache. Grund: Auch die von verschiedener Seite geforderte Umbenennung der Bischof-Janssen-Straße stand auf der Tagesordnung der konstituierenden Sitzung.

Gutachten belegt Versäumnisse

Das Thema war in den vergangenen Wochen auf großes Medienecho gestoßen, wie der einstimmig wiedergewählte Ortsbürgermeister Christian Wüstefeld (CDU) feststellte. Die Forderung nach einer Umbenennung der Straße, die zur Kolping-Ferienstätte führt, ist nicht neu. Bereits 2015, als erste Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche laut wurden, wurde darüber diskutiert, ob die nach dem früheren Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen benannte Straße umbenannt werden sollte. Damals wurde eine Entscheidung zurückgestellt. Jetzt hat das Bistum Hildesheim den Abschlussbericht „Wissen Teilen“ des Bistums Hildesheim: eine Aufarbeitung von Missbrauchsvorwürfen gegenüber Priestern und anderen Mitarbeitern der Kirche“ vorgelegt.

Wüstefeld fasste das Gutachten kurz zusammen. Es hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach der damalige Bischof selbst zum Täter geworden sei. Wohl aber seien wesentliche Versäumnisse belegt, wonach er den „Machterhalt der katholischen Kirche über das Wohl der Missbrauchsopfer“ gestellt habe. Das ist auch die Argumentation einer Betroffeneninitiative, die zur Umbenennung der Straße auffordert.

Der Ortsbürgermeister sagte auch, dass bei der Stadtverwaltung ein anonymes Schreiben eingegangen sei. Darin verweise der Verfasser unter anderem darauf, dass es keinen direkten Beweis der Täterschaft Janssens gebe.

Einig waren sich in der anschließenden Diskussion die Gerblingeröder Ortsräte, dass die Bischof-Janssen-Straße in der Gemarkung Gerblingerode umbenannt werden sollte. Zur Debatte standen an diesem Abend drei alternative Namensvorschläge.

Enrico Thiele (Wahlvorschlag SPD) und Neumitglied der Partei Die Partei, plädierte dafür, den von der SPD Duderstadt vorgeschlagenen Namen Barbara Blaine zu wählen. Die im Jahr 2017 verstorbene Barbara Blaine habe als Gründerin des „Survivors Network of those Abused by Priests (SNAP)“ weit über die USA hinaus einen bedeutenden Beitrag zur Aufklärung von sexuellen Übergriffen von Priestern geleistet. „Die Umbenennung der Straße von einem Täter hin zu einem Opfer ist ein mächtiges Zeichen. Wir würden hier nicht nur einem Opfer von Missbrauch durch katholische Priester ein Denkmal setzen, sondern vielmehr dazu beitragen, das Leid vieler Opfer zu lindern und den Kampf zur unabhängigen Aufklärung dieser Verbrechen stärken und bewusster machen für die Öffentlichkeit“, argumentierte Thiele.

Vorschlag: Edith Stein

Ein weiterer Namensvorschlag für die Bischof-Janssen-Straße kam von Anette Hütt (Grüne). Edith Stein wäre nach ihrer Ansicht eine gute Alternative. Stein war Jüdin, die zum katholischen Glauben konvertierte und später heilig gesprochen wurde. Auch gelte sie in der evangelischen Kirche als Glaubenszeugin. Die Philosophin Stein habe in Göttingen studiert und ihre Habilitationsschrift, die sie in Göttingen vorgelegt hatte, scheiterte daran, dass sie eine Frau war, so Hütte.

Nach „intensiven Beratungen“ und Gesprächen mit den Verantwortlichen der Kolping Ferienstätte, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Christian Hesse, sei man zu der Auffassung gelangt, einen „neutralen Namen“ vorzuschlagen: „Zum Ferienparadies“. Dieser Name würde den Sinn und Zweck der Straße widerspiegeln, argumentierte er. Reiner Müller (CDU) sagte, der Straßenname sollte einen regionalen Bezug haben.

Ortsbürgermeister Wüstefeld sah in der Umbenennung der Straße und dem Ende der posthumen Ehrung das Zeichen an sich. Mit dem neutralen Namen „Zum Ferienparadies“ lasse sich eine mögliche spätere Diskussion um eine neue Persönlichkeit vermeiden.

Vermeiden wollten die Gerblingeröder Ortsratsmitglieder auf Drängen von Hütt, dass in der abschließenden Beratung und Entscheidung im Rat der Stadt nicht automatisch die Namensvorschläge vom Tisch sind. Ihr Beschlussvorschlag weist daher ausdrücklich darauf hin, dass sich der Ortsrat Gerblingerode nach Diskussion über die Namensvorschläge Barbara Blaine, Edith Stein und Zum Ferienparadies mit acht Ja-Stimmen, einer Nein-Stimme und einer Enthaltung mehrheitlich für Zum Ferienparadies ausspricht.

Die Umbenennung der Straße von einem Täter hin zu einem Opfer ist ein mächtiges Zeichen.

Enrico Thiele (Die Partei), Ortsratsmitglied